Paul Wembacher: Wenn der Sport zum Star macht

Geschäftiges Treiben herrscht unter den Mannschaften in der Stocksporthalle: Drei deutsche Teams, ein österreichisches und eins aus Luxemburg geben ihr Bestes in den Einzelwettbewerben. Die Mannschaftskämpfe stehen morgen ins Haus. Jeweils zwei Sportler treten parallel auf der selbstschmierenden Kunststoffbahn an, wie Franz Stenzel, Nationaler Koordinator des Stocksports von Special Olympics Deutschland, erklärt. Bei einer Länge von 23,5 Metern und einer Breite von knapp sieben Metern kann ein Sportler auf der linken Seite, ein anderer auf der rechten Seite loslegen. Begonnen wird mit dem Ring- oder Zielwurf – es wirkt ein bisschen wie Boccia oder Boule mit dem Eisstock. Ziel des Spiels ist es, die Zielscheibe aus dem eingezeichneten Zielkreis zu entfernen und den Stock dort zum Stehen zu bringen. Das gibt die höchste Punktezahl. Erst wenn der Ringwurf absolviert ist, darf der Lattenwurf folgen. Hier gilt es, die Latte mit der höchsten Punktezahl zu bewegen. Am Ende werden Ring- und Lattenwurf zusammengezählt und ergeben die Gesamtwertung.

Gleich ist Paul Wembacher am Start. Er ist eines der “Gesichter der Spiele” von Special Olympics 2020 in Berchtesgaden. Der Athlet wartet auf seinen Einsatz. Scheinbar ruhig und ganz konzentriert sitzt er auf der Bank.  Ein bisschen nervös ist er aber schon, verrät er. Paul konnte nicht an jedem Training teilnehmen, wie sein Betreuer Thomas Küblbeck von der Lebenshilfe Berchtesgaden erzählt. Schließlich musste er unzählige Fototermine und Interviews hinter sich bringen in den letzten Wochen und Tagen. Im Moment erlebt der Stocksportler gerade ein wenig, wie es ist, wenn der Sportler zum Sportstar wird und Pressetermine und Repräsentationspflichten den Alltag bestimmen. Trainiert hat Paul Wembacher in der Zeit vor den Spielen beim EC Feldkirchen. Der Verein und dessen Trainer Josef Kluba und Fritz Lorber haben das Team Lebenshilfe einmal pro Woche zu sich eingeladen und mit ihm gemeinsam in der Trainingsstätte geübt. „So gelingt Inklusion als ganz normales Miteinander, ohne dafür eigens Konzepte schnüren zu müssen“, erzählt Küblbeck. “Eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten!” Verständlich, dass alle das gute Miteinander auch nach den Special Olympics Winterspielen fortsetzen möchten. In welchem Turnus das geschehen soll, wird noch geklärt.

Endlich kommt Paul beim laufenden Einzelwettbewerb an die Reihe und kann den ersehnten Lattenwurf absolvieren. Er startet mit achtzehn Metern Distanz. Das jeweilige Level, sprich Können, entscheidet, von welcher Position aus der Athlet abschießt. Mindestens einmal trifft der Athlet die 11 und reißt die Arme vor Freude hoch. Vielleicht hat er sich den Tipp von Teamgefährtin Anja Klein zu Herzen genommen: „So wie bügeln, dann rutscht der Stock besser“, sagt sie ganz fachmännisch. Und die richtige Wahl der Platte unter dem Stock  – die ist auch entscheidend, ergänzen die Trainer. Denn auf die Reibung kommt es an: Je nach Untergrund des Bodens wird die Platte gewählt, die mehr oder weniger weit rutscht.

Was alle Athleten im Stocksport sehr gut können müssen, ist die richtige Dosierung zwischen Gefühl und Kraft. Beim Ringwurf brauchen sie ganz viel Gefühl, um den Stock an die Zielscheibe zu bringen, beim Lattenwurf müssen sie ihre Kraft exakt dosieren. Das gelingt mehr oder weniger, aber alle sind überglücklich, dabei zu sein und von der Gemeinschaft angefeuert zu werden.

Auch Paul ist nach seinem Einsatz wieder entspannter und lässt sich gerne fotografieren.

Text und Fotos: SOD – Petra Janßen-Wahl